Neuigkeiten - Recht

Schallemissionen in WEG? Rein gemutmaßte Folgen können Einbau von Klimaanlage nicht verhindern

In diesem Fall geht es um die unterschiedlichen Belange von Eigentümern innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und um deren Beschlüsse. Erst der Bundesgerichtshof (BGH) konnte dabei die Frage klären, wann Beeinträchtigungen durch eine Klimaanlage in einer Eigentumswohnung vorliegen und entsprechend dagegen geklagt werden darf.

In diesem Fall geht es um die unterschiedlichen Belange von Eigentümern innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und um deren Beschlüsse. Erst der Bundesgerichtshof (BGH) konnte dabei die Frage klären, wann Beeinträchtigungen durch eine Klimaanlage in einer Eigentumswohnung vorliegen und entsprechend dagegen geklagt werden darf.

Im Streitfall ging es um eine Eigentümerin, die gegen einen Beschluss ihrer WEG klagte. Der Beschluss erlaubte einem anderen Eigentümer, auf dem Dachgeschoss eines Hauses eine Klimaanlage anzubringen. Die Anlage sollte auf speziellen Dämpfern montiert werden, damit keine Erschütterungen übertragen werden. Die Klägerin befürchtete jedoch, dass durch einen tieffrequenten Schall die Ruhe in ihrer Wohnung gestört werde.

Die Vorinstanzen hatten ihre Klage abgelehnt, ebenso der BGH. Das Gericht erklärte, dass bei baulichen Veränderungen wie dem Einbau einer Klimaanlage zunächst nur die direkten Folgen der Veränderung selbst beurteilt werden können - nicht aber die späteren Auswirkungen durch deren Nutzung, zum Beispiel durch entstehenden tieffrequenten Schall. Eine Prognose, ob und wie stark solche Schallemissionen auftreten, sei wissenschaftlich nicht sicher vorhersagbar. Deshalb sei auch kein Sachverständigengutachten erforderlich gewesen. Sollte die Klimaanlage nach der Montage wirklich störenden Schall verursachen, habe die Klägerin das Recht, gegen diese Beeinträchtigung vorzugehen. Die WEG müsse zudem nicht vorab weitere Informationen einholen, wenn die Beeinträchtigung nicht schon vorher offensichtlich und unzumutbar ist. Außerdem schließe ein solcher Beschluss zum Einbau der Klimaanlage Ansprüche der anderen Eigentümer wegen möglicher Störungen nach der Installation nicht aus. Die Nutzung der Klimaanlage könne durch die Gemeinschaft später auch noch durch Hausordnungsregeln eingeschränkt werden.

Hinweis: Beeinträchtigungen durch technische Anlagen in Wohnungen können oft erst nach der tatsächlichen Nutzung beurteilt werden. Eigentümer sollten in solchen Fällen geduldig abwarten und gegebenenfalls später ihr Recht auf Schutz vor Störungen geltend machen. Ein Einbaubeschluss heißt nicht, dass der Betrieb uneingeschränkt erlaubt ist.


Quelle: BGH, Urt. v. 28.03.2025 - V ZR 105/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Ohne Betriebsratsbeschluss: Einzelne Betriebsratsmitglieder dürfen personalisierte E-Mail-Adressen einfordern

Betriebsratsmitglieder arbeiteten ohne personalisierte E-Mail-Adressen. Erst das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) konnte final die Antwort auf die Frage liefern, ob der Anspruch der Betriebsratsmitglieder, dies zu ändern, auch ohne einen Beschluss des gesamten Betriebsrats durchsetzbar ist.

Betriebsratsmitglieder arbeiteten ohne personalisierte E-Mail-Adressen. Erst das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) konnte final die Antwort auf die Frage liefern, ob der Anspruch der Betriebsratsmitglieder, dies zu ändern, auch ohne einen Beschluss des gesamten Betriebsrats durchsetzbar ist.

Die Arbeitgeberin betreibt zahlreiche Supermärkte in Deutschland. Die Betriebsratsmitglieder konnten eine gemeinsame E-Mail-Adresse nutzen, die zur Unternehmensdomain gehörte. Individuelle E-Mail-Adressen, die auch Mails an und von externen Adressen ermöglichen, stellte die Arbeitgeberin nur einigen freigestellten Betriebsratsmitgliedern und anderen ausgewählten Mitarbeitern zur Verfügung. Die Antragsteller forderten als Mitglieder des Betriebsrats ebenfalls personalisierte E-Mail-Adressen, um ihre Arbeit besser erledigen zu können. Ein Beschluss des gesamten Betriebsrats lag dazu nicht vor, da die Antragsteller meinten, sie handelten eigenverantwortlich. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück, weil nur der Betriebsrat als Gremium Ansprüche auf Sachmittel habe und die erweiterten E-Mail-Adressen nicht notwendig seien.

Das LAG änderte diese Entscheidung. Es stellte fest, dass einzelne Betriebsratsmitglieder durchaus eigene Rechte auf Sachmittel nach § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz hätten, sofern diese für ihre Arbeit notwendig seien. Ein Beschluss des gesamten Betriebsrats sei nicht immer erforderlich, wenn einzelne Mitglieder eigenständig handelten. Die personalisierten E-Mail-Adressen, die auch eine Kommunikation außerhalb der Unternehmensdomain ermöglichen, seien in diesem Fall nötig, um die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben wahrzunehmen. Die Idee, dass Ansprüche auf Sachmittel immer nur dem gesamten Betriebsrat zustünden, wies das LAG zurück. Es wäre nicht sinnvoll, wenn einzelne Mitglieder erst gegen den Betriebsrat klagen müssten, um einen positiven Beschluss zu erzwingen, bevor der Arbeitgeber die Sachmittel bereitstelle.

Hinweis: Betriebsratsmitglieder können also auch ohne entsprechenden Betriebsratsbeschluss eigene Ansprüche auf Arbeitsmittel haben - so auch auf E-Mail-Adressen, die auch den Kontakt außerhalb der Firma erlauben.


Quelle: LAG Niedersachsen, Beschl. v. 25.04.2025 - 17 TaBV 62/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Rechtlich unwirksam: Kein Verzicht auf Urlaub durch gerichtlichen Vergleich

Nicht genommene Urlaubstage sind nach Kündigungen oft Thema vor den Arbeitsgerichten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer quasi vorab mit einem Vergleich auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten kann oder dieser erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden darf.

Nicht genommene Urlaubstage sind nach Kündigungen oft Thema vor den Arbeitsgerichten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer quasi vorab mit einem Vergleich auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten kann oder dieser erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden darf.

Der Kläger war von 2019 bis April 2023 als Betriebsleiter beschäftigt. Im Jahr 2023 war er durchgehend krankgeschrieben und konnte daher auch seinen Urlaub nicht in Anspruch nehmen. Im März 2023 einigten sich Kläger und Arbeitgeber vor Gericht auf einen Vergleich. Darin wurde das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2023 gegen Zahlung einer Abfindung beendet. In dem Vergleich stand, die Urlaubsansprüche seien "in natura gewährt". Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte zuvor darauf hingewiesen, dass der gesetzliche Mindesturlaub gar nicht wirksam ausgeschlossen werden könne, stimmte dem Vergleich aber trotzdem zu. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte der ehemalige Betriebsleiter, wie durch seine Anwältin bereits angedeutet, vom Arbeitgeber die Auszahlung von sieben Urlaubstagen aus dem Jahr 2023.

Sowohl die Vorinstanzen als auch das BAG gaben ihm Recht und wiesen die Revision des Arbeitgebers zurück. Das Gericht entschied, dass der Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub nicht durch den Vergleich weggefallen war. Ein Verzicht darauf sei rechtlich unwirksam. Auch wenn der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden konnte, darf der gesetzliche Mindesturlaub weder vorab ausgeschlossen noch durch eine Zahlung ersetzt werden. Das gilt selbst dann, wenn bei Abschluss des Vergleichs schon klar war, dass der Urlaub gar nicht mehr genommen werden könne. Das BAG bestätigte, dass der gesetzliche Mindesturlaub geschützt ist und nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden darf. Ein "Verzicht" auf diesen Urlaub zu Prozesszeiten ist nicht möglich. Der Teil des Vergleichs, der das anders regeln wollte, war daher nicht gültig. Der Einwand des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer dürfe sich nicht auf die Unwirksamkeit berufen, wurde zurückgewiesen, weil eine offensichtlich unzulässige Regelung schlichtweg nicht gelten kann.

Hinweis: Der gesetzliche Mindesturlaub ist ein besonders geschütztes Recht. Selbst bei Krankheit und Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann man nicht einfach darauf verzichten. Urlaub muss entweder genommen oder am Ende ausbezahlt werden. 
 
 


Quelle: BAG, Urt. v. 03.06.2025 - 9 AZR 104/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Gesteigerte Sorgfaltspflicht: Alleinhaftung nach fahrlässigem Anfahren aus Busspur

"Nur mal kurz!" hört man oft von Autofahrern, wenn sie verbotenerweise in zweiter Reihe halten. Ob frische Brötchen der Grund waren, die den Beklagten reizten, "nur mal kurz" auf einer Busspur zu halten, bleibt offen. Klar ist, dass das Kammergericht Berlin (KG) die Folgen zu verhandeln hatte, nachdem der Busspurblockierer mit einem anderen motorisierten Verkehrsteilnehmer zusammenstieß, der "einfach nur" rechts abbiegen wollte.

"Nur mal kurz!" hört man oft von Autofahrern, wenn sie verbotenerweise in zweiter Reihe halten. Ob frische Brötchen der Grund waren, die den Beklagten reizten, "nur mal kurz" auf einer Busspur zu halten, bleibt offen. Klar ist, dass das Kammergericht Berlin (KG) die Folgen zu verhandeln hatte, nachdem der Busspurblockierer mit einem anderen motorisierten Verkehrsteilnehmer zusammenstieß, der "einfach nur" rechts abbiegen wollte.

Ein Autofahrer, der in zweiter Reihe auf einer Busspur stand, wollte wieder anfahren. Er schlug zu diesem Zweck die Vorderräder nach links ein und setzte an, loszufahren. In dem Moment querte ein anderer Autofahrer zulässigerweise die Busspur. Denn die Busspur wies exakt an der Stelle unterbrochene Linien auf, um ein Überfahren der Spur in die Rechtsabbiegerspur zu ermöglichen. Man ahnt es - es kam zur Kollision. Der querende Fahrer verlangte daraufhin vollen Schadensersatz, der andere Beteiligte hätte seiner Meinung nach erst gar nicht dort stehen dürfen und vor allem beim Anfahren eine gesteigerte Sorgfaltspflicht beachten müssen. Das sah der Busspurhalter naturgemäß völlig anders, in seinen Augen war ausschließlich der Spurwechsler schuld.

In erster Instanz wurde dem Kläger 1/3 des Schadens zugesprochen, in der Berufung hatte er mehr Erfolg. Das KG entschied nämlich, dass der Anfahrende allein haftet. Zwar sei es richtig, dass ein Anfahren nach einem Halten in zweiter Reihe nicht dazu führt, dass die gesteigerten Sorgfaltspflichten unmittelbar gelten. Die Situation sei aber mit dem Anfahren vom Fahrbahnrand vergleichbar. Das Halten auf einem Busstreifen in zweiter Reihe sei verboten. Zudem war erkennbar, dass das Überfahren der Spur an dieser Stelle zulässig war, um die Rechtsabbiegerspur zu erreichen. Daher ergab die Abwägung der Verschuldensbeiträge, dass der Anfahrende alleine haftet. Den anderen Beteiligten treffe keine Schuld, denn für ihn sei überhaupt nicht erkennbar gewesen, dass der andere aus dem Stand anfahren würde.

Hinweis: Es besteht eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, die Absicht zum Einfahren in den fließenden Verkehr rechtzeitig (mindestens fünf Sekunden zuvor) anzuzeigen (selbst bei Geradeausfahrt im Fahrstreifen) und dessen Vorrang zu beachten. Für den Beklagten galt somit beim Einleiten des bevorstehenden Fahrstreifenwechsels durch Anfahren aus zweiter Reihe zusätzlich die Pflicht zur äußersten Sorgfalt und Beachtung des Vorrangs des fließenden Verkehrs (§ 7 Abs. 5 Straßenverkehrs-Ordnung).


Quelle: KG, Urt. v. 27.03.2025 - 22 U 29/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Parklückenunfall: Haftungsverteilung nach Kollision zwischen Wendendem und Rückwärtsfahrendem

Die Parklücke ist in manchen Straßen des Landes ein gar seltenes und entsprechend begehrtes Kleinod für den motorisierten Verkehrsteilnehmer, vor allem in Städten wie Hamburg. Eine solche Parklücke stand zuerst im Fokus zweier Autofahrer, bevor sie in den Mittelpunkt einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG) rückte. Die Frage war wie so oft: Wer haftet für den Schaden, und in welcher Höhe?

Die Parklücke ist in manchen Straßen des Landes ein gar seltenes und entsprechend begehrtes Kleinod für den motorisierten Verkehrsteilnehmer, vor allem in Städten wie Hamburg. Eine solche Parklücke stand zuerst im Fokus zweier Autofahrer, bevor sie in den Mittelpunkt einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG) rückte. Die Frage war wie so oft: Wer haftet für den Schaden, und in welcher Höhe?

Es gibt Tage, an denen hat man kein Glück, und dann kommt auch noch Pech hinzu. So in etwa trafen eine Einparkende und ein Wendender zusammen, jeweils in ihren Fahrzeugen. Die Frau wollte gerade rückwärts in eine Parklücke einparken, als zeitgleich der Mann in seinem Pkw auf der Gegenfahrbahn wendete und ebenfalls in die Lücke einfuhr. Dass beide Verkehrsteilnehmer dieses Zusammentreffen als nicht erfreulich betrachtet haben, war klar. Dennoch kam es zu einem zweimaligen Wiedersehen - final vor dem LG, das über die Schadensersatzforderungen der beiden Beteiligten entscheiden musste.

Die erste Instanz legte noch paritätisch eine Haftungsquote von 50 : 50 fest. Damit war die Frau nicht einverstanden und legte Berufung ein. Das LG teilte ihre Ansicht und befand, dass eine Haftungsquote von 70 : 30 zu Lasten des Mannes angemessen sei. Als Wendender habe er nämlich sehen müssen, dass vor ihm ein Einparkmanöver stattfindet. Daher hätte sogar eine Alleinhaftung in Frage kommen können, da das Wendemanöver schlussendlich zur Kollision geführt habe. Es war aber zu berücksichtigen, dass die andere Beteiligte rückwärts fuhr und daher eine gesteigerte Sorgfaltspflicht hatte. Bei einem derartigen Einparkmanöver müsse nicht nur der unmittelbar hinter dem Rückwärtsfahrenden liegende Verkehrsraum beobachtet werden, sondern auch der seitlich liegende. Das habe die andere Beteiligte hier versäumt. Daher sei ihr ein Mitverschulden von 30 % anzurechnen.

Hinweis: Das Gericht stellte klar, dass die Pflicht zur Rückschau beim Rückwärtsfahren nicht mit einem einmaligen Blick in den Rückspiegel getan ist. Vielmehr wird eine ständige Beobachtung des Bereichs hinter dem Fahrzeug während des gesamten Rückwärtsfahrvorgangs gefordert. Dies dient dazu, auch Verkehrsteilnehmer zu bemerken, die sich erst während des Einparkmanövers nähern. Das Gericht betonte, dass man sich vergewissern müsse, dass der Gefahrraum hinter dem Fahrzeug frei ist und auch frei bleibt.
 
 


Quelle: LG Hamburg, Urt. v. 19.12.2024 - 323 S 22/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Verweigerte Auskunftserteilung: Wertermittlung kann nicht durch Pflichtteilsberechtigten ersetzt werden

Was passiert, wenn der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten durch eine gerichtliche Entscheidung zur Auskunft verpflichtet wird, dieser aber nicht nachkommt, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG). Das OLG musste auf Antrag einer Pflichtteilsberechtigten prüfen, ob und wie sie hier stattdessen selbst tätig werden kann.

Was passiert, wenn der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten durch eine gerichtliche Entscheidung zur Auskunft verpflichtet wird, dieser aber nicht nachkommt, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG). Das OLG musste auf Antrag einer Pflichtteilsberechtigten prüfen, ob und wie sie hier stattdessen selbst tätig werden kann.

Nach dem Tod der Erblasserin machte die Tochter Pflichtteilsansprüche gegenüber ihrem Vater geltend. Der Vater wurde schließlich auch aufgrund eines Versäumnisurteils zur Auskunftserteilung und Wertermittlung verurteilt und unter anderem dazu verpflichtet, den Wert von zwei Grundstücken durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens ermitteln zu lassen. Dieser Verpflichtung kam der Erbe aber nicht nach. Die Tochter beantragte daraufhin bei Gericht im Wege der Zwangsvollstreckung, selbst einen Gutachter beauftragen zu dürfen. Der Vater sollte zudem dazu verpflichtet werden, Zugang zu den Grundstücken zum Zweck der Wertermittlung zu dulden.

Sowohl das Landgericht als auch das OLG haben diesen Antrag jedoch zurückgewiesen. Kern der Auseinandersetzung war die Frage, ob es der Tochter möglich sei, eine sogenannte vertretbare Handlung notfalls selbst durch eine Ersatzvornahme durchführen zu lassen, wenn der Schuldner untätig bleibt. Das OLG stellte klar, dass die Wertermittlung einer Immobilie im Pflichtteilsrecht keine solche vertretbare Handlung im Sinne der gesetzlichen Regelung ist. Für die Wertermittlung sei es erforderlich, dass der Erbe selbst aktiv mitwirkt. Er muss Informationen liefern, Zugang gewähren und Dokumente zum Zustand der Immobilie beschaffen. Diese Angaben kann nur er selbst gegenüber einem Gutachter machen, weshalb diese Mitwirkung nicht ohne weiteres ersetzt werden könne. Der pflichtteilsberechtigten Gläubigerin bliebe in diesen Fällen daher nur die Möglichkeit, eine Zwangsvollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung durchzuführen. Als Mittel der Wahl stünden ihr die Beantragung von Zwangsgeldern und - für den Fall, dass diese nicht beigetrieben werden können - ein Antrag auf Zwangshaft zur Verfügung.

Hinweis: Nur ausnahmsweise wurde bei einem Wertermittlungsanspruch eine Vollstreckung im Wege einer Ersatzvornahme anerkannt. In einem Einzelfall konnte die Gutachtenvorlage von einem Dritten erfüllt werden, weil alle notwendigen Informationen für die Erstellung des Gutachtens bekannt waren und es lediglich einer Beauftragung eines Gutachters sowie der Bezahlung des Gutachters bedurfte.


Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 04.06.2025 - 10 W 84/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Elternunterhalt: Sozialhilfeträger erstreitet vor dem BGH Rückzahlung von Pflegekosten

Werden Eltern bedürftig, schulden ihnen die Kinder Unterhalt. Trotzdem können die Eltern auch staatliche Hilfen beziehen. Springen Sozialhilfeträger ein, gehen die Unterhaltsansprüche gegen die Kinder auf den Staat über - außer, das unterhaltspflichtige Kind hat ein Jahreseinkommen von maximal 100.000 EUR. Ein Sohn, dessen Einkommen knapp darüber lag, zog dagegen bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Werden Eltern bedürftig, schulden ihnen die Kinder Unterhalt. Trotzdem können die Eltern auch staatliche Hilfen beziehen. Springen Sozialhilfeträger ein, gehen die Unterhaltsansprüche gegen die Kinder auf den Staat über - außer, das unterhaltspflichtige Kind hat ein Jahreseinkommen von maximal 100.000 EUR. Ein Sohn, dessen Einkommen knapp darüber lag, zog dagegen bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Eine 1937 geborene Mutter bezog in der Zeit von Januar bis Dezember 2020 Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch von insgesamt rd. 7.000 EUR. Der Träger verlangte diesen Betrag vom Sohn der Mutter. Der Sohn verdiente im Jahr rund 118.000 EUR, also monatlich rund 5.800 EUR netto. Seine Ehefrau verdiente ebenfalls so viel. Mit der Tochter lebte man im abbezahlten und unbelasteten Einfamilienhaus. Die zwei anderen Kinder der Mutter wurden nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen. Der Sozialhilfeträger klagte gegen den Sohn. Vor dem Amtsgericht bekam dieser noch Recht, vor dem Oberlandesgericht verhielt es sich umgekehrt, dieses entschied für den Träger. Und vor dem BGH?

Auch vor dem BGH gewann der Sozialhilfeträger. Daran ändert auch das am 01.01.2020 inkraftgetretene Angehörigen-Entlastungsgesetz nichts. Danach darf kein Rückgriff mehr bei Kindern genommen werden, die lediglich ein Jahreseinkommen bis zu 100.000 EUR haben. Dieser Ausschluss bedeute aber nicht, dass die Kinder zivilrechtlich nicht unterhaltsverpflichtet wären. Nur der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger wird ausgeschlossen, nicht aber der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihr Kind. Daran gemessen konnte der Sohn zur Rückzahlung herangezogen werden, und der muss nun 6.200 EUR an den Sozialhilfeträger bezahlen.

Hinweis: Kinder, die über 100.000 EUR Jahreseinkommen haben, sind also bei dem Rückgriff durch die Sozialhilfeträger besonders "gefährdet". Sie sollten verstärkt darauf achten, dass bei der Berechnung des Rückgriffs ihr angemessener Selbstbehalt korrekt berechnet wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie im Endeffekt nicht zu viel bezahlen.


Quelle: BGH, Beschl. v. 07.05.2025 - XII ZB 563/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Gütertrennung: Zugewinnausschluss in Unternehmerehe ist möglich

Ein Ehevertrag ist keine Seltenheit mehr, um im Scheidungsfall einen eventuellen Zugewinn zu schützen. Dieser Schutz steht Eheleuten auch in Unternehmerehen zu. Denn hier geht es oft um den Bestand des gesamten Unternehmens, dem manches Mal sonst eine Zerschlagung drohen könnte. Ob der Zugewinnausgleich im folgenden Fall allerdings wirksam ausgeschlossen worden war, konnte erst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Ein Ehevertrag ist keine Seltenheit mehr, um im Scheidungsfall einen eventuellen Zugewinn zu schützen. Dieser Schutz steht Eheleuten auch in Unternehmerehen zu. Denn hier geht es oft um den Bestand des gesamten Unternehmens, dem manches Mal sonst eine Zerschlagung drohen könnte. Ob der Zugewinnausgleich im folgenden Fall allerdings wirksam ausgeschlossen worden war, konnte erst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Eine Unternehmensberaterin und ein Gesellschafter von verschiedenen Unternehmen seiner Familie heirateten. Sie vereinbarten Gütertrennung unter Ausschluss des Zugewinnausgleichs sowie des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts. Dabei orientierten sie sich an den Gesellschaftsverträgen. Nach zehn Jahren Ehe und drei Kindern ließen sich die Eheleute scheiden. Die Frau war abgesichert, denn ab einer Dauer von vier Ehejahren stand ihr eine monatliche Versorgung von 5.000 EUR zu, der Zugewinnausgleich war wirksam ausgeschlossen worden. Dennoch machte sie im Scheidungsprozess einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend. Der Ausschluss im Ehevertrag sei unwirksam, da er einseitig zu ihren Lasten ginge und damit sittenwidrig sei. Damit drang sie vor dem BGH aber nicht durch.

Unternehmerische Interessen können legitime Beweggründe für eine Gütertrennung sein. Insbesondere bei sogenannten Unternehmerehen kommt dem Vermögensschutz ein hoher Stellenwert zu. Auch hat sich die Frau bei Vertragsschluss nicht in einer schwächeren Position befunden; sie war bereits studierte Betriebswirtin und konnte die finanzielle Tragweite des Ausschlusses also überblicken. Sie wurde bei Vertragsschluss - salopp gesagt - nicht über den Tisch gezogen. Sie war bei den Vertragsverhandlungen sogar anwaltlich vertreten worden. Der Ausschluss des Zugewinns war in Augen des BGH also wirksam erfolgt.

Hinweis: In Unternehmerehen kann der Zugewinnausgleich wirksam ausgeschlossen werden. Das unterliegt der Vertragsfreiheit. Es darf dabei aber keine Zwangslage oder Schwäche ausgenutzt werden, was den Ausschluss sittenwidrig machen würde. 
 
 


Quelle: BGH, Beschl. v. 28.05.2025 - XII ZB 395/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Prozesskostenhilfe: Kein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ohne Anwalt

Auch finanziell schwache Familien oder Personen müssen ihr Recht gerichtlich durchsetzen können. Dafür können sie Prozesskostenhilfe (im Familienrecht: Verfahrenskostenhilfe - VKH) beantragen, und ein Rechtsbeistand kann beigeordnet werden - sofern es die Sach- und Rechtslage erfordern. Ob eine Vaterschaftsfeststellung ein solches Erfordernis darstellt, musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) klären.

Auch finanziell schwache Familien oder Personen müssen ihr Recht gerichtlich durchsetzen können. Dafür können sie Prozesskostenhilfe (im Familienrecht: Verfahrenskostenhilfe - VKH) beantragen, und ein Rechtsbeistand kann beigeordnet werden - sofern es die Sach- und Rechtslage erfordern. Ob eine Vaterschaftsfeststellung ein solches Erfordernis darstellt, musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) klären.

Ein minderjähriges Kind wurde vor Gericht durch das Jugendamt als Beistand vertreten. Das Jugendamt hat seinerseits einem Antrag auf Feststellung der Vaterschaft eines Mannes eingereicht. Dieser habe in der sogenannten "gesetzlichen Empfängniszeit" mit der Mutter des Kindes geschlechtlich verkehrt. Der Mann gab jedoch an, im Empfängniszeitraum nicht mit der Mutter verkehrt und zuvor im Iran eine Vasektomie durchgeführt zu haben. Die Mutter hatte noch einen weiteren Sexpartner, dieser ließ sich aber nicht ermitteln. Die Mutter beantragte die Bewilligung von VKH unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für sich. VKH erhielt sie zwar, einen Anwalt jedoch nicht. Die Sache sei für sie schließlich einfach, die Mutterschaft stehe ja fest. Eine Beiordnung sei also nicht erforderlich. Die Mutter legte Beschwerde ein.

Das OLG legte dar, dass ein Anwalt dann auf Antrag beigeordnet wird, wenn wegen schwieriger Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob das der Fall ist, bestimmt sich auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten. Bei einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren sei hingegen für alle Beteiligten regelmäßig eine Anwaltsbeiordnung geboten. Es können schließlich auch Zwangsmaßnahmen gegen den Kindsvater notwendig werden - etwa, um eine Anwesenheit im Termin zur Erörterung vor Gericht zu gewährleisten und eine Abstammungsuntersuchung durchzusetzen. Und all dies kann durchaus für eine schwierige Sach- und Rechtslage sorgen. Daher wurde der Mutter in diesem Fall durch das OLG auch ein Anwalt beigeordnet.

Hinweis: Im Vaterschaftsanerkennungsverfahren kann also von einer besonderen Schwierigkeit ausgegangen werden. Damit ist die Beiordnung eines Anwalts unproblematisch. Nutzen Sie die Beiordnung bei Bedürftigkeit, damit Sie angemessen vertreten sind.


Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 23.06.2025 - 12 WF 31/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

"Mussbeteiligte": Wer Pflichten auferlegt bekommt, muss am Umgangsverfahren beteiligt werden

Wenn das Umgangsrecht von Kindern gerichtlich geregelt werden soll, sind alle Beteiligten anzuhören. Und mit "alle" sind auch alle gemeint. Sind etwa zwei Personen betroffen, dann reicht es nicht, wenn nur eine am Verfahren beteiligt wird. Denn dass sonst das, was beschlossen wird, keinerlei Gültigkeit besitzt, zeigt dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Wenn das Umgangsrecht von Kindern gerichtlich geregelt werden soll, sind alle Beteiligten anzuhören. Und mit "alle" sind auch alle gemeint. Sind etwa zwei Personen betroffen, dann reicht es nicht, wenn nur eine am Verfahren beteiligt wird. Denn dass sonst das, was beschlossen wird, keinerlei Gültigkeit besitzt, zeigt dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Nachdem die Eltern sich getrennt hatten, lebten die Kinder (zehn und zwölf Jahre alt) erst bei der Mutter, dann beim Vater. Als der Vater jedoch später inhaftiert wurde, kam das ältere Kind zum Urgroßvater und das jüngere zu den Großeltern mütterlicherseits. Die Großeltern beantragten am 07.05.2024 die Übertragung der Vormundschaft für beide Kinder auf sich. Im Umgangsverfahren wurden die Großmutter und der Urgroßvater als Beteiligte angehört - der Großvater jedoch nicht. Mit Beschluss, der der Großmutter am 18.01.2025 zugestellt wurde, wurde daraufhin geregelt, dass der Vater den älteren Sohn jeden zweiten, den jüngeren jeden dritten Samstag im Monat sehen dürfe. Beide Großeltern wurden verpflichtet, die beiden Kinder jeweils zum Übergabetreffpunkt zu bringen und dort wieder abzuholen. Die Großeltern legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Die Regelung sei ihnen finanziell und logistisch unzumutbar.

Das OLG verwies die Sache zur nochmaligen Entscheidung an die Vorinstanz zurück, denn der Großvater hätte am Verfahren beteiligt werden müssen. Die Sache wurde daher fehlerhaft entschieden. Pflegepersonen des Kindes sind regelmäßig Mussbeteiligte, wenn das Familiengericht ihnen im Rahmen einer Umgangsregelung Pflichten auferlegen will. Hier wurde der Großvater schließlich mit den Pflichten "Bringen und Abholen" belastet. Die unterlassene Beteiligung des Großvaters sei zudem ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Das Gericht sei hier ohne weitere Sachprüfung einfach davon ausgegangen, dass der Großvater allen Pflichten Folge leisten könne und werde.

Hinweis: Wenn das Gericht Pflichten auferlegen will, muss sichergestellt sein, dass der Verpflichtete diese auch erfüllen kann. Das muss das Gericht ermitteln - tut es das nicht, kann und sollte Beschwerde gegen die Entscheidung einlegt werden.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.03.2025 - 6 UF 27/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)